Hundesuchhilfe Ostfriesland e.V.

HAPPY ENDS

Es gibt sie – die glücklichen Momente, die uns alle für unsere Arbeit belohnen: wenn ein entlaufener Hund endlich wieder in die Arme seiner Familie zurückkehrt. Oft liegen bange Tage oder sogar Wochen voller Hoffnung, Sorgen und unermüdlicher Suche hinter allen Beteiligten.

Jeder Einsatz lohnt sich, für jedes einzelne Happy End.

Sunrise – Der „Wolf“, der alles veränderte

Als Sunrise nach Deutschland kam, konnte niemand ahnen, dass ausgerechnet er der Hund sein würde, der für uns alles veränderte. Nicht, weil seine Sicherung einfach war. Ganz im Gegenteil.
Sondern weil seine Geschichte uns endgültig den Weg gezeigt hat, den wir von da an gehen wollten – unter unserem eigenen Namen: Hundesuchhilfe Ostfriesland.

Sunrise war ein Schäferhund-Mischling im, frisch aus Rumänien angekommen. Am 12. Mai entlief er in Friedeburg, kurz nachdem er sein neues Zuhause betreten hatte.

Von dort lief er, unaufhaltsam, bis ins 35 Kilometer entfernte Esens. Er streifte durch Wälder und Wohngebiete. Doch seine Erscheinung sorgte für Aufsehen. Groß, dunkel, vorsichtig. Schnell war das Wort „Wolf“ im Umlauf. Presse, Polizei, Jägerschaft und viele Anwohner waren beunruhigt.

Als uns der Verein kontaktierte, der Sunrise vermittelt hatte, war klar: Wir helfen. Sofort.

Dank des zuständigen Revierleiters konnten wir mit der Arbeit beginnen. Doch Sunrise zeigte sich nur selten. Und als die Ferien begannen, verschwanden nicht nur die Schüler aus dem benachbarten Internat, sondern auch Sunrise.

Seine Nahrungsquelle war versiegt. Das Schützenfest kam dazu. Die Lage wurde unübersichtlich.

Dann, fast drei Wochen später, ein Video in der Meppener Tagespost. Sunrise war offenbar in Holte Lastrup gesichtet worden. 150 Kilometer entfernt. Und laut Anwohnern war er dort schon zwei Wochen unterwegs.

Wir fuhren los.

Vor Ort trafen wir auf tolle Menschen, die sofort halfen. Futterstellen wurden eingerichtet und endlich kam die Nachricht, auf die wir gehofft hatten: Futterstelle angenommen.

Unsere große Falle war zu dem Zeitpunkt aber noch nicht vollständig einsatzbereit. Uns fehlten wichtige Sicherheitsverschlüsse und wir wollten kein Risiko eingehen. Deshalb liehen wir eine andere Falle.

Kurz nachdem sie stand, saßen wir gerade im Auto, um den Fallenmelder einzurichten, da fiel schon die Klappe. Die Hoffnung war riesig. Doch als wir auf die Kamerabilder schauten, war klar: Die Falle war leer. Eine Sekunde zu spät. Sunrise war schon wieder draußen.

Der Frust war groß. Es hätte so einfach sein können.

Wir liehen erneut eine Falle, diesmal von der Hundehilfe NiNo e. V. Sunrise wurde wieder angefüttert. Er kam, roch, schaute – ging wieder. Er war vorsichtig geworden.

Die Zeit drängte. Wir wollten ihn nicht verlieren.

Also baten wir Frank Weisskirchen, um Unterstützung.

Es folgte der erste Versuch mit Distanznarkose. Doch Sunrise spielte nicht mit. Er zeigte sich, kam zur Futterstelle, fraß aber kaum noch. Wir dachten zunächst, es liege an der Hitze.

Was wir nicht wussten: Ein Anwohner hatte Mitleid mit Sunrise und fütterte ihn an einer anderen Stelle. Gut gemeint, aber fatal für den Sicherungsversuch.

Sunrise zeigte Frank und den Streckenposten, die sich die Nacht um die Ohren schlugen, erneut die kalte Schulter.

Nach Räumung der inoffiziellen Futterstelle ging es ein zweites Mal in Position. Wieder in der Nacht. Wieder alles auf eine Karte.

Ein besorgter Anwohner rief die Polizei. Für einen Moment schien es, als müsste der Einsatz abgebrochen werden. Doch die Beamten zeigten Verständnis.

Und um 3 Uhr 17 kam die Nachricht: Getroffen

Die Distanznarkose wirkte. Die Streckenposten waren sofort zur Stelle. Sunrise konnte gesichert und zum Tierarzt gebracht werden.

Er war endlich in Sicherheit.

Was bleibt, ist Dankbarkeit. Für die vielen Helfer vor Ort. Für jeden Hinweis, jede Sichtung, jede helfende Hand. Für die Bereitschaft, nachts draußen zu stehen.

Aber auch Enttäuschung bleibt. Nicht wegen Sunrise. Sondern wegen all der Drohungen, des Unverständnisses, der Sätze wie „Knallt das Vieh doch ab“. Sunrise war vielen zu groß, zu fremd, zu viel. Für uns war er genau richtig.

Doch wir erinnern uns nicht an die, die uns Steine in den Weg gelegt haben. Wir erinnern uns an die, die mit uns gegangen sind.

Sunrise war der Hund, der uns klar gemacht hat: Jetzt braucht es einen eigenen Namen.

Bis dahin hatten wir unter dem Namen eines ostfriesischen Tierheims gearbeitet. Doch als es darum ging, eine größere Falle anzunehmen – ein Geschenk von einer erfahrenen Tiersicherungshelferin aus dem Bremer Raum – wurde es kompliziert. Das Tierheim wollte die Falle nicht, aus Gründen, die nichts mit dem Hund zu tun hatten.

Also traf ich eine Entscheidung.

Wir machten uns selbstständig.
Die Hundesuchhilfe Ostfriesland war geboren.

Nicht aus Trotz.
Sondern aus Überzeugung.

Weil es nicht darum geht, wer etwas tut. Sondern dass es getan wird. Für die Hunde. Für ihr Leben.

Sunrise war der Hund, der uns unabhängig gemacht hat.

Seinetwegen heißen wir heute Hundesuchhilfe Ostfriesland.
Seinetwegen kämpfen wir weiter.

Nicht, weil er leicht war. Sondern weil er es wert war.

Danke, Sunrise.

 

Amigo Hund

Amigo – Rückblick auf eine besondere Sicherung

Februar bis April 2018

Ende Februar 2018 entlief in Remels ein kleiner Hund namens Amigo.
Eigentlich war das zu weit weg für uns, um aktiv vor Ort zu helfen.
Eigentlich.

Über die Hundesuchhilfe aus Osnabrück, Steinfurt und Umgebung wurde der Kontakt zu uns hergestellt. Vor Ort wurde eine Lebendfalle benötigt. Kein Problem. Anke brachte sie nach Remels.
Ansonsten hielten wir uns erst einmal zurück.
Es schien genug Hilfe da zu sein, und wir wollten nicht dazwischenfunken.

Ende März kam dann der Hilferuf.
Die Organisation, die Amigo vermittelt hatte, war am Ende ihrer Kräfte.
Man hatte vieles versucht, vielleicht sogar zu viel. Die Urlaubszeit stand vor der Tür, die aktive Helferin saß bereits auf gepackten Koffern.

Da war klar: Wir übernehmen.

Ein Gespräch mit der Organisation, ein Anruf bei Silvia, die in der Nähe von Remels wohnte, eine kurze Rücksprache mit den Kolleginnen aus Osnabrück – und das kleine Team stand.

Wir begannen von vorn.
Eine neue Laufkarte wurde erstellt, Flyer neu gedruckt, Sichtungspunkte überprüft.

Amigo allerdings hatte andere Pläne – und lief erstmal nach Oldenburg.
Dann weiter nach Westerstede.
Auch dort wurde sofort geholfen. Vielen Dank an den Tierschutzverein Ammerland, der Sichtungen aufnahm und Flyer verteilte.

Und schließlich kam Amigo zurück nach Remels.
Erschöpft, hungrig, müde.
Er legte sich einfach auf eine Wiese und schlief.

Jetzt kam es auf das Wichtigste an:
Ruhe.

Er wurde aus der Entfernung beobachtet.
Gegen Nachmittag wagte Silvia einen ersten Annäherungsversuch.
Sie stellte Futter in etwa zwanzig Meter Entfernung ab und zog sich wieder zurück.
Amigo nahm das Futter an und verschwand wieder in seinem Versteck.

Anke stand bereits in engem Kontakt mit Frank vom Tiersicherungsdienst. Auch die Mädels aus Osnabrück waren weiter eingebunden.

Nach Feierabend fuhr Anke erneut nach Remels. Silvia, Kathrin – eine engagierte Sichterin – und Lara, eine liebe Anwohnerin, warteten bereits.

Mit Leberwurst, Katzenfutter und Frank am Handy ging es für Anke aufs Feld.
Keine klassische Herangehensweise. Aber genau richtig für diese Situation.

Amigo beobachtete sie genau.
Ging sie weg, kam er hinterher.
Der Abstand verringerte sich langsam, Meter für Meter.

Lara berichtete vom Balkon aus, was hinter Ankes Rücken passierte.
Silvia und Kathrin hielten sich mit der Falle in sicherer Entfernung bereit, um gegebenenfalls einzugreifen oder die Straße zu sichern.

Dann kam der Moment, der so nicht geplant war, aber besser hätte es nicht laufen können.

Die Falle war noch gar nicht aufgestellt.
Sie stand geschlossen am Rand des Geländes.
Kathrin hatte eine Wurst in der Hand, die sie hineinlegen wollte.

Amigo beobachtete alles.
Er ging neugierig zur Falle.
Roch die Wurst.
Und versuchte, sie zu erreichen.

Anke reagierte schnell.
Sie ging zur Falle und öffnete sie.

Amigo setzte sich einige Meter entfernt hin.
Schaute. Überlegte.

Und ging dann einfach hinein.

Die Falle schloss sich.
Amigo war gesichert.

Es war einer dieser seltenen Glücksmomente.
Im richtigen Moment, am richtigen Ort, mit genau dem richtigen Gespür.

Dr. Rienhoff aus Remels öffnete spät am Abend noch ihre Praxis und nahm Amigo zur Beobachtung auf.

Am nächsten Morgen holten Maren und Anke ihn ab.
Er kam in die Pension vom Tierheim Hage.
Wenig später wurde er von Monika, der Vorsitzenden des vermittelnden Vereins, abgeholt und auf eine Pflegestelle gebracht.

Dort erholte sich Amigo.
Und es ging ihm gut.

Diese Sicherung bleibt für uns unvergessen.
Nicht, weil sie spektakulär war.
Sondern weil sie gezeigt hat, was möglich ist, wenn Menschen zuhören, mitfühlen und zusammenarbeiten.

Danke an alle, die geholfen haben.
An Silvia, Kathrin und Lara vor Ort.
An Frank für die Unterstützung am Telefon.
An den Tierschutzverein Ammerland.
An die Hundesuchhilfe Osnabrück, Steinfurt und Umgebung.
Und an alle, die im Vorfeld versucht haben zu helfen.

Amigo war einer von vielen.
Aber für uns bleibt er ein ganz besonderer.

Zoey – Die, die erst zuhörte und dann blieb

Zoey war ein schwarz-weißer Border-Collie-Mischling aus Ägypten.
Vorsichtig, klug, voller Energie – und voller Zweifel.

Sie wurde nach Deutschland geholt und landete schließlich bei einer neuen Halterin auf der Insel Baltrum. Warum sie dort nicht bleiben konnte oder sollte, hat niemand so richtig verstanden. Die Hündin wurde dann in eine Hundepension nach Rechtsupweg gebracht.

Dort entlief sie am allerersten Tag.

Nicht gesichert, kein Sicherheitsgeschirr, nur ein normales Halsband. Zoey zog sich heraus und war weg.

Von da an war sie in der Gegend unterwegs.
Und sorgte für Aufsehen.

Zoey war schlau, eigenwillig – und ein bisschen frech. Einmal versuchte sie sogar, ein Huhn zu klauen. Ihre Runden zog sie ganz selbstverständlich, als gehöre ihr das Land.

Und irgendwann war da diese Wiese.

Eine abgelegene Fläche, am Rande eines älteren Ehepaares, die auf dem Land lebten. Dort ließ sich Zoey nieder.
Und machte klar: Das ist jetzt meine Wiese.

Wenn sich jemand näherte, bellte sie.
Nicht aus Panik, sondern um zu sagen: „Du bleibst, wo du bist.“

Gleichzeitig gewöhnte sie sich aber an uns.
Sie nahm die Futterstelle an, wählerisch zwar – sie mochte nur bestimmte Dinge – aber sie fraß.
Nur in die Falle ging sie nicht.

Sie beobachtete alles genau.
Und wenn ich die Falle befüllte, bellte sie mich an. Als wollte sie sagen: „Ich sehe dich. Versuch es gar nicht erst.“

Also änderte ich meinen Plan.

Ich fing an, mich auf die Wiese zu setzen.
In sicherem Abstand.
Und ich las ihr vor.

Einfach so.

Sie lief nicht mehr weg. Im Gegenteil. Es fühlte sich irgendwann so an, als würde sie auf mich warten.

Jeden Tag kam ich wieder. Setzte mich hin.
Und las.

Sie schlief.
Und hörte zu.

Die Entfernung zwischen uns wurde kleiner.
Erst fünfzehn Meter, dann zehn, dann fünf.
Irgendwann konnte ich mich auf drei, vier Meter heranrobben.

Und dann, eines Tages, saßen wir einfach da.
Gemeinsam auf ihrer Wiese.
Sie legte sich hin. Ganz ruhig.
Und ich wusste: Jetzt ist der Moment.

Ich konnte sie hochheben.
Und mitnehmen.

Keine Panik. Kein Fluchtversuch.
Nur stilles Einverständnis.

Zoey kam zuerst in eine Pflegestelle des Tierheims Aurich und wurde später in eine liebe Familie vermittelt.

Einige Monate später durfte ich sie besuchen.
Sie kam nicht angelaufen, wedelte nicht vor Freude.

Aber als sie meine Stimme hörte, legte sie sich hin.
So wie damals auf der Wiese.
Und sie schlief ein.

Vertrauen bleibt nicht immer laut.
Manchmal zeigt es sich in der Stille.

Birko – Der kleine Unbekannte vom Bahndamm

Er war klein, schmal, zart.
Ein Chihuahua-Mischling mit langen Beinen, voller Angst und allein unterwegs. Niemand wusste, woher er kam. Kein Mensch suchte nach ihm. Kein Eintrag in einem Register. Kein Anruf.

Birko tauchte plötzlich auf.
Und von da an war er da.
Nicht greifbar, nicht erreichbar – aber immer wieder zu sehen.

Viele Menschen versuchten, ihn einzufangen. Doch Birko war wie ein Schatten. Kaum gesichtet, war er schon wieder außer Reichweite.

Was ihn besonders machte, war seine Route. Er wurde immer wieder an zwei Bahnstrecken gesehen.

Zum einen auf der stillgelegten Strecke der  Museumseisenbahn in Tidofeld, direkt hinter dem Gelände des Birkenhofs, einer Gärtnerei der örtlichen Behindertenhilfe. Und zum anderen an der aktiven Bahnstrecke zwischen Norden und Norddeich.

Tatsächlich führte die alte Museumseisenbahn direkt hinter dem Birkenhof entlang und mündete später in die größere Strecke.

Wir erfuhren, dass Birko nachts in den Gewächshäusern des Birkenhofs Unterschlupf fand.
Wenn morgens der Betrieb begann, Menschen kamen, Wagen fuhren, Türen knallten, verließ er das Gelände.

Dann lief er über die alten Gleise, durch die freie Landschaft, bis an die große Bahnlinie.

Dort verbrachte er den Tag. Ganz nah an den Gleisen. Zwischen Lärm, Zügen und Zäunen.
Und wenn es abends wieder ruhig wurde, kehrte er zurück.
Zurück zu den Gewächshäusern.

Ein kluger kleiner Hund, der sich selbst eine Überlebensstrategie gebaut hatte.
Aber wir wussten: So würde es nicht ewig gutgehen.

Die Temperaturen sanken. Teilweise bis minus 20 Grad.
Und Birko hatte keine Unterwolle. Keine Decke. Kein Zuhause.
Dafür aber eine große Wunde hinten am Körper, wahrscheinlich von einem Zaun, von einem Fluchtversuch.

Wir durften nachts eine Falle auf dem Birkenhof aufstellen.
Tagsüber war das wegen des Betriebs nicht möglich.

Damals hatten wir kaum Technik. Kein System, keine Ausrüstung. Nur viel Herz.

Und genau in dieser Zeit bekamen wir unseren ersten Fallenmelder gespendet.

Bis dahin fuhr ich alle dreißig Minuten selbst zur Falle. Leise, vorsichtig, immer in der Angst, dass er vielleicht schon drin war – und wegen der Kälte dort ausharren musste.

Ein Hotelbesitzer aus dem Ort hatte von Birkos Geschichte gehört.
Sein Hotel lag an der Bahnstrecke zwischen Norden und Norddeich.


Und er war es, der uns den Melder schenkte. Einfach so.
Weil ihm der kleine Hund nicht aus dem Kopf ging.

Und dann, an einem eiskalten Samstagmorgen, ging das Signal los.

Birko war in der Falle.

Still. Erschöpft. Und verletzt.
Aber er lebte.

Er wurde ins Tierheim Hage gebracht, medizinisch versorgt, gepflegt und später vermittelt.
Dort bekam er auch von uns seinen Namen.

Birko – benannt nach dem Ort, der ihm das Leben gerettet hat.

Wir haben nie erfahren, woher er kam.
Ob ihn jemand verloren oder ausgesetzt hat.

Aber wir wissen:
Er hat überlebt.
Trotz Angst. Trotz Kälte. Trotz allem.

Und wir durften ein Teil seiner Geschichte sein.

Hund

Wie alles begann … mit Cindy, der Dackelmixdiva und einer Flexileine zu viel

Manchmal beginnt eine große Geschichte nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit einer kleinen Dackelmixhündin, einem rumänischen Messie-Haushalt und – natürlich – einer Flexileine. Willkommen bei der Hundesuchhilfe Ostfriesland, wo selten etwas nach Plan läuft, aber am Ende trotzdem irgendwie alles gut wird. Meistens jedenfalls.

Unsere Heldin heißt Cindy. Ungefähr so groß wie ein Pudelpo, aber mit dem Dickkopf eines Elefanten. Sie hatte bereits mehr durchgemacht als die meisten Netflix-Charaktere. Nach einem Zwischenstopp im ostfriesischen Tierheim, wo sie gefühlt eine Ewigkeit saß, weil offenbar niemand das wahre Gold unter dem strubbeligen Fell erkannte, entschied sie sich eines Tages, dass sie nun endlich jemanden adoptieren wollte.

Aber das Glück war von kurzer Dauer. Direkt nach der Vermittlung beschloss Cindy im Lütetsburger Wald, dass Freiheit vielleicht doch besser ist als Familienanschluss. Und zack, war sie weg. Mit Flexileine. Natürlich. Was auch sonst. Diese Dinger sind ja bekannt dafür. Die Leine fiel aus der Hand und der klappernde Griff verjagte sie. Cindy verabschiedete sich also stilvoll, hinterließ eine fassungslose Halterin und ein ratloses Tierheim.

Ich selbst war damals ehrenamtlich im Tierheim aktiv. Öffentlichkeitsarbeit, verhaltensauffällige Hunde, ein bisschen dies, ein bisschen das. Irgendwann hieß es: Du, die Cindy ist weg. Und zwar seit drei Wochen.

Und das Schlimmste? Keiner hatte so richtig eine Idee, wie man sie wieder einfangen kann. Sichern? Einfangen? Kekse werfen? Hoffen? Beten? Vielleicht ein Ritual?

Man kontaktierte dann einen Hundefänger, der sich im Internet ganz professionell präsentierte. Der wollte mehrere tausend Euro – allein dafür, eine Falle aufzustellen. Vorarbeit hätten wir selbst machen müssen. Beratung gab es nur gegen Aufpreis. Erfolgsaussichten? Keine Garantie. Klingt super, oder?

Ich war begeistert. Nicht. Also bastelte ich kurzerhand einen Flyer. War halt das Naheliegendste. Den packte ich auf die Tierheimseite. Und siehe da: Es meldete sich eine ehrenamtliche Hundesuchhilfe aus Osnabrück, die mir erklärte, wie man einen ängstlichen, völlig durch den Wind rennenden Hund überhaupt wieder sichern kann.

Also setzte ich das Ganze in die Tat um. Hilfe gab es auch von einigen lieben Menschen vor Ort. Wir konnten uns eine alte klapprige Falle leihen, die vermutlich schon in den 80ern aus dem Verkehr gezogen gehört hätte. Damals arbeiteten wir eben noch mit ganz anderem Equipment.

Cindy hatte sich inzwischen längst vom Wald verabschiedet. Sie war einige Kilometer weitergezogen und hatte sich in einer Siedlung an einer Katzenfutterstelle eingenistet. Dort bediente sie sich regelmäßig. Weil unser Suchaufruf auch in der Zeitung gelandet war, meldete sich eine sehr engagierte Anwohnerin, der aufgefallen war, dass immer mehr Katzenfutter verschwand. Und dann sah sie Cindy. Ganz zufällig, nachts, vor ihrer Terrassentür. Natürlich war sie genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen war.

Wir hatten also eine vermutete Futterstelle. Cindy kam offenbar seit zwei, drei Tagen dort vorbei. Also Falle hin, Leckerli rein, Daumen drücken.

Und tatsächlich – wenig später war Cindy drin.

Am 21. Dezember 2016 ging der erste Hund in eine Falle. Und das war der Anfang von allem. Die Hundesuchhilfe Ostfriesland war geboren, ohne dass wir es in dem Moment überhaupt wussten.

Cindys Weg führte erstmal wieder zurück ins Tierheim. Die Halterin wollte sie nicht zurück. Es war ihr wohl zu viel geworden. Also wurde Cindy erneut vermittelt und hatte endlich ein gutes Leben. Leider meinte das Schicksal es nicht sonderlich gut mit ihr. Ihre neue Halterin wurde schwer krank. Und Cindy landete wieder im Tierheim.

Doch dieses Mal hatte sie wirklich Glück. Sie durfte nochmal ausziehen. Und dieses Mal passte es.

Und wir? Wir haben weitergemacht. Immer weiter. Mit besseren Fallen, mit mehr Wissen, mit noch mehr Herz. Für all die anderen Cindys da draußen, die einfach mal loslaufen, weil die Welt zu laut ist und Menschen zu kompliziert sind.